Zum Tod vom Thomas
An alle Verwandte, Freunde, Kollegen, Nachbarn und Bekannte von Thomas Malorny
Seit zwei Jahren werden wir immer wieder gefragt, warum und woran unser Thomas so früh sterben mußte. Unsere ehrliche Antwort »wir wissen es nicht« nimmt man uns häufig nicht wirklich ab und vermutet Hintergründe, die wir gern verbergen möchten.
Die Dinge liegen jedoch völlig anders – und das möchten wir darstellen:
Nach Feierabend am 11. Mai 2010 rief Thomas – wie er es oft tat – auf dem Weg zum Bahnhof Mülheim von seinem Handy aus bei uns an und verabredete mit uns die Einzelheiten des Winterreifenwechsels an seinem Auto für das kommende Wochenende, wofür er ein wenig Hilfe brauchte. Das war das letzte Mal, daß wir seine Stimme hörten. Außerdem wissen wir, daß er – am Bahnhof Wetter angekommen – sich noch etwas zum Abendessen kaufte, bevor er mit seinem Auto nachhause fuhr. Er schaute noch kurz am Lagerort seiner Sommerreifen vorbei und ging in seine Wohnung, die er hinter sich nicht verschloß.
Am nächsten Morgen gegen 10:00 Uhr rief sein Büro an: Man habe angenommen, Thomas sei von daheim gleich zum Gerichtstermin nach Düsseldorf gefahren, bis man die entsprechende Handakte auf seinem Schreibtisch fand. Da er telefonisch weder über Festnetz noch Handy erreichbar sei, mache man sich Sorgen.
Nach kurzer Telefonrecherche fuhren wir zu seiner Wohnung und fanden ihn tot auf seinem Bett liegend. Er hatte sein Abendessen im Eingangsbereich abgestellt und war in sein Schlafzimmer gegangen, um sich für den Feierabend umzuziehen. Er hatte sich vermutlich aus Erschöpfung wohl ein wenig hinlegen wollen, ist eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Seine Augen waren geschlossen, die Lippen leicht geöffnet, das Gesicht völlig entspannt – wie in einem erholsamen Schlaf.
Die herbeigerufene Notärztin stellte nur den Tod fest. Über Todeszeitpunkt und Todesursache könne sie nichts sagen. Wie in solchen Fällen vorgeschrieben, wurde erst die wettersche Polizei herbeigerufen, die dann ihrerseits die Kripo aus Schwelm verständigte. Die beiden Kripo-Beamten befragten die Ärztin und uns und machten zahlreiche Fotos. Schließlich erklärten sie uns, daß der Leichnam unseres Sohnes zur Feststellung der Todesursache beschlagnahmt sei. Das entspricht nicht den Tatsachen, weil – wie wir heute wissen – bei der Obduktion nur Eigen- oder Fremdverschulden festgestellt oder ausgeschlossen werden sollen. Die Todesursache selbst interessiert den Staatsanwalt nicht unbedingt. Selbst der Todestag wurde nicht ermittelt. So steht in der Sterbeurkunde: 11. oder 12. Mai 2010.
Jetzt begann ein Drama, das unseren Verlust nur noch schmerzlicher machte: Die Kripo-Beamten beauftragten das Herdecker Beerdigungsunternehmen Fröhning mit der Abholung und der Aufbewahrung des Toten bis zu Obduktion, die natürlich noch nicht terminiert werden konnte. Die Firma Fröhning schickte einen Wagen mit zwei altersschwachen Rentnern, die wohl irgendwie unseren Thomas in den Leichensack schafften – wir mußten zuvor das Schlafzimmer verlassen. Es überstieg aber bei weitem ihre Kräfte, den Toten aus dem Haus zu tragen. Also packten sein Bruder Klaus und ich zu und trugen zusammen mit den beiden Rentnern unseren lieben Verstorbenen zum Wagen. Dort mußten wir feststellen, daß dieser nicht leer war. Mit etwas Mühe fanden wir noch Platz neben einem Holzsarg. Man brachte den Leichnam zur Leichenhalle des Städtischen Friedhofs in Alt-Wetter.
Der nächste Tag war Christi Himmelfahrt. Am Freitag morgen riefen wir Herrn Fröhning an, daß wir Thomas noch einmal sehen wollten. Er erklärte uns, daß dies nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft möglich sei, er uns aber ohnehin davon abraten möchte, weil der Körper von Thomas schon stark in Verwesung übergegangen sei. Bis heute fragen wir uns, wieso er das wissen konnte, da er nach eigener Aussage nicht am Friedhof in Wetter gewesen war. Wir bekamen von ihm dazu keine Antwort; so bleibt nur die Vermutung, daß er wußte, was wir nicht wußten: daß am Friedhof in Wetter keine für eine spätere Obduktion notwendige Kühlmöglichkeit vorhanden ist. Dann allerdings konnte er davon ausgehen, daß bei den damals milden Außentemperaturen der Verwesungsprozeß rasch fortgeschritten war.
Der staatsanwaltschaftliche Apparat war an diesem Freitag und Samstag durch einen Mord in Hagen stark in Anspruch genommen. So konnte die Obduktion erst am folgenden Montag erfolgen. Das Ergebnis sah dementsprechend aus: Man könne zwar jegliche Fremd- oder Eigeneinwirkung ausschließen, die Todesursache wegen des schlechten Zustandes des Körpers aber nicht mehr ermitteln. Telefonische Rücksprache mit dem Pathologen ergab, daß es zwar einige Befunde außerhalb der Norm gebe. Daraus aber auf eine Todesursache zu schließen, sei wissenschaftlich nicht vertretbar. Auch eine histopathologische Untersuchung, die wir auf eigene Kosten durchführen lassen wollten, könne keine gesicherten Ergebnisse bringen. Ein befreundeter Arzt, den wir zu Rate zogen und der den Obduktionsbericht erhielt, bestätigte die Ansicht des Pathologen. Ein von der Staatsanwaltschaft angefordertes toxikologisches Gutachten ergab ebenfalls keine Hinweise auf die Todesursache.
Durch die wissentliche Schlamperei des Bestattungsinstituts Fröhning kennen wir also die Todesursache unseres Sohnes Thomas nicht. Da die aber für unseren zweiten Sohn Klaus von Bedeutung sein könnte, nahmen wir Kontakt mit zwei namhaften Instituten der Forensischen Medizin in Frankfurt und Münster auf. Man bestätigte uns übereinstimmend, daß der Versuch einer Todesursachen-Ermittlung mittels molekulargenetischer Diagnostik vielversprechend, sehr teuer (mehr als 10.000 €), aber leider nicht immer erfolgreich sei.
Wir wandten uns daher an Herrn Fröhning mit dem Ansinnen, wenn schon nicht die ganze Summe, so doch einen namhaften Teil derselben zu übernehmen. Alternativ schlugen wir vor, er möge eine namhafte Spende an den evangelischen Friedhof in Wengern überweisen. Telefonisch erklärte er uns, er habe Kripo und Staatsanwaltschaft angerufen, die ihm versichert hätten, daß alles in Ordnung sei. Durch seine Anwälte ließ er uns mitteilen, daß er keinerlei Veranlassung zu einer Wiedergutmachung sehe.
Wir hatten uns noch überlegt, ob wir gerichtlich gegen die Firma Fröhning vorgehen sollten. Unser Anwalt riet uns ab – vor allem in Hinblick auf die Tatsache, daß dieses Verfahren eine ungewollte Streubreite entwickeln könne z.B. in Richtung Stadtverwaltung und Kripo und zuletzt auch in Richtung Staatsanwaltschaft, die uns übrigens – vermutlich juristisch einwandfrei – auf unsere Anfrage zur Strafbarkeit des Geschehenen mitteilte, daß das Verhalten der Firma Fröhning höchstens eine Sachbeschädigung und daher nur privatrechtlich relevant sei.
Komplett wird das Bild mit der Tatsache, daß die Sargträger der Firma Fröhning sich nicht schämten, vor dem Herablassen des Sarges in die Gruft das Sarggesteck mit Gewalt abzureißen. So wurde unser Thomas, der schon in seinem kurzen Leben manches Leid durchstehen mußte, auch noch nach seinem Tode schlecht behandelt.
Wir hoffen, jetzt alle Fragen ausführlich genug beantwortet und damit auch einen Beitrag geleistet zu haben, Euch oder Ihnen ähnliche Erfahrungen ersparen zu helfen.
Familie Paul Malorny
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